Das Qi
Das Konzept Qi
„Die Welt zum einen als sichtbare Welt zu erfassen, zum anderen aber das offensichtliche Wirken wie auch immer gearteter unsichtbarer Kräfte zu registrieren, ist eine Grunderfahrung menschlichen Daseins“.
Das Sichtbare – das ist unsere Umwelt, die Gesellschaft, ist alles das, was wir als materiell bezeichnen können. Im medizinischen Kontext ist das Sichtbare unser körperliches Substrat. Es sind die Flüssigkeiten, die Zellen, das Gewebe etc., alles das, was man tasten und sehen kann.
Die nicht sichtbaren Kräfte bewirken jedoch zum Beispiel, dass dieser sichtbare Körper leben kann. Ansehen kann man einem Körper nicht, dass er lebt, nur an Bewegungen wie z.B. des Atems, oder des Pulses ist dies zu erkennen.
Die Menschen haben verschiedene Erklärungsmodelle für dieses unsichtbare Wirken entwickelt, im Westen wie im Osten, in Afrika ebenso wie in Amerika. Ist es ein Schöpfer, ein Gott, der Leben schafft und vernichtet? Sind es die Ahnen, die Vorfahren, die im Menschen weiterleben und Heil oder Unheil bewirken? Sind es Dämonen oder Geister aus der Natur? Hexen oder Zauberer? Sind es elektrische Ströme oder chemische Prozesse? Im alten China wurde um die Zeitenwende herum das Konzept „Qi“ geschaffen.
Das Schriftzeichen
Das chinesische Schriftzeichen für Qi stellt aus einem Reistopf aufsteigenden Dampf dar. Es ist das, was am Leben hält, nährt, es ist die aufsteigende, nach oben wachsende, sich entfaltende Bewegung. Sie ist im Menschen ebenso wie in der Natur die Bewegung und das Leben an sich – denn dieses geht einher mit Bewegung. Auch im heutigen modernen Chinesisch wird der Begriff „Qi“ gebraucht, so in den Zeichenkombinationen für das Auto (Qi-Wagen) oder für Selterwasser (Qi-Wasser). Der Begriff bedeutet also nichts Mystisches, sondern ist die Kennzeichnung für Funktion und Bewegung.
Verschiedene „Qi“ und wo sie herkommen
Im menschlichen Organismus gibt es nun verschiedene Erscheinungsformen des Qi. Jedes Organ hat sein Qi, verschiedene Funktionen werden zusammengefasst als „Ying (Nähr-)-Qi“ oder „Yuan (Ursprungs-)-Qi“, aber auch „Leber-Qi“, ‚Milz-Qi“ etc.
Gebildet wird dieses Qi durch Aufnahme und Verwertung verschiedener Energiequellen. Ein gewisses angeborenes Potential und all das, was unsere Umwelt zur Verfügung stellt gilt es zu nutzen. Alles Lebensnotwendige erhalten wir aus der Nahrung und durch die Atmung. Lunge, Verdauungs‑ und Stoffwechselsystem müssen nun in der Lage sein, diese „Energien“ für den Organismus verfügbar zu machen, also umzuwandeln.
Das Kanalsystem
Verteilt wird dieses körpereigene Qi dann durch ein gewaltiges System von Leitbahnen. In „Meridianen“ verschiedenster Größe wird dafür gesorgt, dass jeder Millimeter unseres Körpers, innen und außen mit Qi versorgt wird – und somit lebt. Das Qi garantiert außerdem, dass der Mensch seine Integrität bewahrt. Der Austausch mit der Umwelt über die Körperoberfläche findet statt, das Eindringen von krankmachendem fremden Qi wird hingegen verhindert.
Krankheit und Qi
Versagt das System der Qi-Gewinnung, so stirbt der Mensch. Das ist der Fall, wenn zum einen das angeborene Potential verbraucht ist, zum anderen aber die Atmung versagt oder keine Nahrung mehr aufgenommen werden kann.
Zu einer Krankheit kann es kommen, wenn Teile des gesamten Systems nicht mehr richtig funktionieren. Hier kann dann die chinesische Medizin intervenieren und den richtige Fluss der Energien wieder herstellen.
Chinesische Arzneimittel setzen bei der Funktion der Organe und dem Fluss von Qi und Blut an. Die Akupunktur und Moxibustion benutzen die Qi-Höhlen (Löcher= Akupunkturpunkte) auf den Leitbahnen, um Stauungen und Blockaden zu beheben.
Verschiedene Übungen können auch dazu beitragen, den gleichmäßigen und kräftigen Fluss des Qi anzuregen und aufrechtzuerhalten, wie Qigong oder Taijiquan („Schattenboxen“). Mit der traditionellen chinesischen Massage Tuina kann der Qi-Fluss vor allem in den Muskeln und Gelenken angeregt werden.